|
Gesellschaftliches Engagement & Compliance

«Diese Erfahrung sollten alle einmal machen»

Zusammenarbeiten mit Menschen, die eine geistige und körperliche Behinderung haben – wie geht das? Acht Mitarbeitende probierten es aus. Vom ersten Arbeitsbesuch der Implenia in den Behindertenwerk­stätten der Stiftung RgZ waren sie so begeistert, dass sie freiwillig Überstunden leisteten.

In diesem Moment begreifen alle, worum es geht. Und wie sehr sich der Arbeitsplatz hier von ihren eigenen Arbeitsplätzen bei Implenia unterscheidet. In diesem Moment auf der Betriebsbesichtigung, als Marc Herpers, der Leiter der Tagesstätte, zu einer Werkbank mit Handsäge tritt und ein Holzstück von der Grösse eines Dominosteins hochhebt und sagt: «Dies ist das Tageswerk eines unserer Klienten. Er arbeitete den ganzen Tag daran und hatte viel Freude dabei.» Für Menschen aus der Bauindustrie, die im Stundentakt tonnenweise Material verbauen, ist das Holzstück ein starkes Symbol für die Welt, in der sie sich heute aufhalten. Es macht ihnen schlagartig bewusst, dass hier die Uhren anders ticken.

«Es ist ein Experiment, was wir hier machen», sagte Cornelia Widmer, Event-Organisatorin bei Implenia, zur Begrüssung nur wenige Minuten vorher. Acht Personen aus unterschiedlichen Unternehmensteilen nehmen an diesem Experiment teil – am ersten Arbeitseinsatz von Implenia Mitarbeitenden in einer Behinderteninstitution. Heute Morgen sind sie nicht an ihren üblichen Arbeitsort gefahren, sondern zu diesem geklinkerten Gewerbebau in Zürich Altstetten. Hier befinden sich auf zwei Etagen die Werk- und Aufenthaltsräume der Stiftung RgZ. Der Arbeitseinsatz ist ein Pilotprojekt im Rahmen des Engagements von Implenia im Sozialsponsoring (siehe Kurzinterview).

Auf dem Rundgang lernen die Implenia Mitarbeitenden ihren neuen Arbeitsort für die nächsten Stunden kennen. Einige von ihnen werden in der Tagesstätte mithelfen, andere in der Produktion anfassen. «Unsere Klienten freuen sich schon auf die Unterstützung», sagt Herpers. Und fügt hinzu dass sie darum gebeten haben, dass sich alle duzen. «Das ist hier so üblich und erleichtert den Kontakt.»

Nach dem Rundgang verteilen sich die Implenia Mitarbeitenden auf die verschiedenen Gruppen. In der Tagesstätte hängen die Wände voller Bilder, Fotos und kreativer Produkte aus verschiedenen Materialien. Der Holzbauer Moritz Vollenweider setzt sich an einen grossen Tisch in der Kreativwerkstatt 2 und lässt sich von Thomas erklären, wie man Filzkugeln herstellt. Dann legt er los und merkt bald einmal, dass es mit seinen kräftigen Händen gar nicht so einfach ist, eine runde Kugel hinzubekommen. Aber Thomas ist geduldig und gibt Tipps, bis es klappt und die Kugel gemächlich an Umfang zulegt. Wie in den andern Räumen der Tagesstätte geht es locker zu und die Implenia Mitarbeitenden kommen mit den Klienten rasch ins Gespräch. Viele Bewohner und Bewohnerinnen der Tagesstätte erklären gern, was sie gerade tun, oder zeigen ihre Werke.

Nach der Pause ruft Edwin Hensch, der als Springer die Kreativwerkstatt 2 leitet, die Klienten zur Sitzung zusammen. Alle erzählen nun, was sie am letzten Wochenende erlebt haben, von Ausflügen mit den Eltern oder Freunden. Einige berichten wortreich und ausführlich, andere einsilbig und dritte wiederum in Lauten, die Ungeübte nicht verstehen. In diesen Fällen übersetzt Edwin Hensch. Es ist kein Spezialprogramm, das die RgZ für Implenia organisiert hat. Die Implenia Mitarbeitenden nehmen ganz einfach am Alltag der Behinderten teil. Und so ist schliesslich auch Moritz an der Reihe und erzählt von seinem Weekend, das er gemütlich mit Kollegen verbracht hat.

In der Produktion, zwei Etagen höher, weht ein etwas anderer Wind. Die Wände sind schmucklos und die Mitarbeitenden arbeiten an langen Tischen hoch konzentriert daran, einen Versand zusammenzustellen. Eifrig werden Präsentationsmappen gefalzt und gestapelt. Gesprochen wird wenig. «Wir sind gerade ziemlich im Stress», erklärt Vincenzo de Feo, Leiter der Produktion. So müssen 13 000 personalisierte Mailings innerhalb von nur zwei Tagen fertiggemacht werden – da kommen die zusätzlichen vier Implenia Hände gerade recht. Florian Mattenberger und Stephan Suter, die sonst am Standort Buchs an Umbauprojekten arbeiten, haben sich in eine Bankreihe gesetzt und füllen Couverts. «Druck zu haben ist die Realität heute in den Werkstätten», sagt de Feo. 40 Prozent der Betriebskosten muss die RgZ selbstständig auf dem Markt erwirtschaften. Und dort spielen Termine und Qualität eine genauso wichtige Rolle wie auf einer Baustelle. Aber die Mitarbeitenden sind stolz darauf, wenn sie am Ende des Tages einen Auftrag pünktlich geschafft haben. Sie möchten gefordert werden und beziehen auch einen Lohn für ihre Arbeit. Zwischen 300 und 1000 Franken pro Monat, je nach Leistungsfähigkeit.

Ein paar hundert Couverts später ist schon Zeit fürs gemeinsame Mittagessen. Der Morgen verging wie im Flug. Bei einem Teller Spaghetti erklärt die Mitorganisatorin Cornelia Widmer, dass sie die Teilnehmenden bewusst spärlich vorinformiert und gewissermassen ins kalte Wasser geworfen habe. «Wir wollten herausfinden, wie ihr zurechtkommt und ob der Anlass funktioniert.» Einer, der keinen Zweifel daran aufkommen lässt, ist Maurizio Giovanelli, Regionalleiter der Abteilung Modernisation Mitte. Er kehrte begeistert aus seiner Kreativwerkstatt zurück und meint: «Das war mega, das sollten alle unsere Leute einmal erleben!» Die anderen Mitarbeitenden am Tisch pflichten ihm bei. Einig ist man sich auch, dass der Anlass nicht nur einen halben, sondern einen ganzen Tag dauern sollte. Dann könnte man sich besser auf die Menschen einlassen, die hier arbeiten. Das sind keine leeren Worte, denn nachdem der offizielle Teil kurz nach dem Mittagessen beendet ist, gehen die Implenia Mitarbeitenden nicht Richtung Ausgang, sondern zurück zu ihrer Gruppe, um noch etwas weiterzumachen. Moritz Vollenweider schaffte bis zum Feierabend auch noch sein zweites Filzbällchen.

    VIELFÄLTIGE PRODUKTE

    STIFTUNG RGZ