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Schonender Umgang mit der Umwelt

Beton aus der eigenen Baugrube

In Winterthur testet Implenia eine mobile Baustoffrecyclinganlage. Der Aushub verschiedener Baugruben im neuen Stadtteil Neuhegi wird an Ort und Stelle veredelt und zu Beton verarbeitet. Das Kreislaufsystem schont Kiesreserven, vermeidet Lärm- und Schadstoffemissionen, senkt die Unfallgefahr auf der Strasse – und spart Kosten. Ein Spaziergang zur Pionieranlage.

Wer im Winterthurer Osten entlang der Eulach spaziert, dann aber vom renaturierten Flüsschen etwas nach Süden abbiegt, betritt unweigerlich ein Stück Schweizer Industriegeschichte. Im 19. und 20. Jahrhundert hatte der in dieser Stadt gegründete Maschinenbaubetrieb Sulzer Weltruf erlangt. Das Unternehmen verfügte über ausgedehnte Produktionsstätten, wo zeitweise bis zu 30 000 Menschen unter anderem Textilmaschinen, energietechnische Anlagen und Schiffsmotoren zusammenbauten. Doch dann kam die Globalisierung und mit ihr der Niedergang des Schweizer Maschinenbaus. 1990 löste Sulzer die Maschinenfabrik auf und gab ihre Werksgelände in Winterthur zur Umnutzung frei. Nun entstehen dort nach und nach faszinierende neue Stadtquartiere. Industriegeschichtliche Monumente, markante Neubauten und öffentliche Plätze werden mit einem vielfältigen Wohn-, Arbeits-, Freizeit- und Bildungsangebot wiederbelebt.

Vor vier Jahren erwarb Implenia mit der Übernahme der Sulzer Immobilien AG ausgedehnte Gebiete und Immobilien sowohl beim Hauptbahnhof als auch hier, im östlich gelegenen Stadtteil Neuhegi. Seither arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit der Stadt an der Entwicklung der beiden stillgelegten Industriestandorte – für Implenia ein umfangreiches und wichtiges Referenzprojekt, bei dem die Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielt. Während es im Zentrum darum geht, gewachsene Substanz zu erhalten sowie mit Ersatzbauten neu zu gestalten und zu ergänzen, entsteht in Neuhegi fast von Grund auf ein neuer Stadtteil. Es ist eines der grössten Entwicklungsgebiete des Kantons Zürich. Dereinst sollen hier rund 3500 Menschen wohnen sowie 7500 Personen arbeiten.

Romantische Klinkerbauten und verwinkelte Werkshallen wie im Zentrum gibt es keine in Neuhegi. Lediglich einige freigelegte Betonfundamente und Erdgeschosse der ehemaligen Firmengebäude zeugen von der industriellen Blütezeit. Dafür findet sich eine Reihe von neuen und eindrücklichen Gewerbe- und Wohngebäuden. Einige davon hat Implenia realisiert. Langsam nimmt der neue Stadtteil südlich der Eulach Konturen an. Noch fühlt sich der Spaziergänger inmitten der weiten Freiflächen etwas verloren. Halt findet das Auge indes bei einer merkwürdigen mechanischen Anlage, die neben einem mächtigen Hügel von Aushubmaterial brummt und rumpelt. Mit ihrem massiven Metallskelett und den surrenden Rollen des Förderbands erinnert sie entfernt an eine wunderliche Installation von Jean Tinguely oder Bernhard Luginbühl.

Das vibrierende Ungetüm ist jedoch kein Werk eines Künstlers, sondern eine mobile Baustoffrecyclinganlage – der Geistesblitz eines Implenia Projektleiters (siehe Kurzinterview). Ein Hydraulikbagger ist gerade dabei, Aushubmaterial in die Beschickungsklappe zu werfen. Die Anlage siebt und sortiert das Gesteinsgemisch aus und wäscht es mit Wasser. Über Förderband und Schaufellader gelangen die sauberen Gesteinsfraktionen ins benachbarte Depot und liegen dort in vier Korngrös­sen bereit für die weitere Verarbeitung. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite betreibt Implenia eine eigene Betonanlage. Es ist also ein vollständiger Materialkreislauf auf kleiner Fläche: Das Aushubmaterial, das aus dem Boden geholt wurde, wird an Ort und Stelle veredelt und zu Beton verarbeitet, der gleich nebenan verbaut wird. Auch das Waschwasser wird rezykliert und immer wieder verwendet.

«Statt vieler Transporte zur Deponie und vom Betonwerk hierher machen wir alles vor Ort», fasst es Daniel Hardegger zusammen. Der Leiter des Strassen- / Tiefbaus von Implenia Zürich ist für den Betrieb des Recyclingprojekts verantwortlich. «Damit fällt über die Hälfte aller Lastwagenfahrten durch die Stadt weg, die auf einer herkömmlichen Baustelle nötig wären», erklärt er. So lassen sich über die Bauzeit von 2013 bis 2020 insgesamt 775 000 Liter Diesel einsparen. Das entlastet das Klima von 2300 Tonnen CO2.

Implenia investierte rund zwei Millionen Franken in die neue Wasch- und zugehörige Kläranlage. Die Veredelung des Aushubs kommt damit auf etwa 15 Franken pro Kubikmeter zu stehen. Andererseits lässt sich dank der Aufbereitung auch bares Geld sparen: So fällt ein grosser Teil der Deponiegebühren und Transportkosten weg. Ausserdem muss Implenia kaum frischen Wandkies zur Betonproduktion zukaufen. Die Rechnung geht also nicht bloss ökologisch, sondern auch ökonomisch auf. Das gilt insbesondere in der langfristigen Betrachtung. «Ich bin fest überzeugt, dass die Preise für Rohstoffe und Deponierung weiter steigen», sagt Daniel Hardegger. Dasselbe gelte für die Transportkosten: Treibstoffpreise und Schwerverkehrsabgabe wachsen absehbar. «Das Entscheidende ist aber, dass die Strassen in der Agglomeration zunehmend verstopft sind, was teure Wartezeiten verursacht.»

Dank der eigenen Baustoffrecycling- und Betonanlage vor Ort kann Implenia die Baustelle flexibler betreiben: Es gibt keine Verzögerungen durch Stau oder andere externe Einflüsse. «Wenn ich beispielsweise am späten Nachmittag für einen optimalen Betriebsablauf noch eine Decke betonieren muss, können wir hier noch Beton produzieren, während ein Betonwerk bereits Feierabend gemacht hat», erklärt Hardegger. «Dies erhöht unsere Produktivität.» Letztlich verlängert das System die Wertschöpfungskette von Implenia. Damit steigt die Kontrolle über den Produktionsprozess und der Anteil an der gesamten Wertschöpfung.

In welchem Ausmass diese Vorteile in der Praxis zum Tragen kommen, muss sich noch weisen. Derzeit läuft die Anlage in Neuhegi im Testbetrieb. «Wir sammeln erst einmal Erfahrungen», räumt Hardegger ein. Es ist zum Beispiel nicht ganz trivial, die Recyclingprozesse aufeinander abzustimmen. Die Körnungen aus dem Aushub müssen in Einklang mit den für die Betonproduktion benötigten Komponenten gebracht werden. Auch das Timing ist wichtig: Aushubarbeiten und Bauten sind so zu terminieren, dass der Aushub des einen für den Beton des nächsten Gebäudes dient. Doch der Projektleiter ist optimistisch. «Ich bin zuversichtlich, dass es gut herauskommt», sagt Hardegger und bekräftigt, dass unter dem Strich vor allem die langfristige Perspektive zähle. Die Erfahrungen in Neuhegi werden sich auszahlen, ist er überzeugt. «Mobiles Baustoffrecycling, das ist die Zukunft.»

LIZ, MAX, ROY UND CO.