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Wir sind nicht zum Plausch hier

Die Ausbildung junger Fachkräfte gehört zur gesellschaftlichen Verantwortung eines Arbeitgebers. Aber das Engagement für den Nachwuchs dient auch dazu, Unternehmensziele zu erreichen. Auf einer besonderen Baustelle in Winterthur zeigt sich, was Implenia dafür tut.

Prüfend fährt Adrian Geissmann mit der Hand über die hellgrauen Kalksandsteine und versucht, einige Mörtelspuren wegzureiben. «Die einzelnen Steine sind noch zu schmutzig, die Schlieren bekommt man nicht mehr weg», stellt er kritisch fest. Dennoch ist der Verantwortliche Lehrlingsausbildung und Weiterbildung Hochbau und Modernisierung Zürich und Aarau zufrieden mit der Arbeit seiner Lernenden. Er lobt: «Was ihr bislang geschafft habt, ist eine gute Leistung.» Rund eine Woche sind nun die Auszubildenden im ersten Lehrjahr damit beschäftigt, in einer alten Industriehalle in Winterthur eine 77 Meter lange und fast 3 Meter hohe Wand zu errichten. Geschafft haben sie inzwischen neun von 18 Schichten, die Hälfte.

Über 60 junge Männer lernen derzeit bei Implenia den Beruf des Maurers. Doch trotz der Berufsbezeichnung kommen sie im Alltag kaum dazu, die Kelle zu schwingen. «Heute wird in der Schweiz viel öfter betoniert», erklärt Geissmann. Auf dem Bau gehe der Trend wie überall Richtung Spezialisierung. Der zeitliche Druck sei enorm. Und so ziehen in der Regel Spezialfirmen Mauerwerke im Akkord hoch. «In diesem Umfeld ist es eine grosse Herausforderung, dafür zu sorgen, dass unsere Lehrlinge alle Fertigkeiten praktisch üben und einsetzen können», sagt Geissmann.

Da kommt ein Projekt wie hier im Werk 1 des Winterthurer Sulzerareals wie gerufen. Die Künstlervereinigung Winterthur hatte Implenia ersucht, ihr für die Jubiläumsausstellung eine Halle zur Verfügung zu stellen und darin eine Mauer in Industriesichtbauweise zu errichten, um Bilder zeigen zu können (siehe Textbox). Implenia unterstützte das Vorhaben der Kunstschaffenden. Als Adrian Geissmann davon hörte, setzte er sich dafür ein, dass die Maurer-Lernenden es ausführen.

«Dank ihrer Grösse gelingt es Implenia immer wieder, solche Lehrlings­baustellen zu organisieren», sagt Olga Bolliger. Bolliger ist ehemalige Maurerin und Baupolierin und zuständig für die Koordination und Entwicklung des Lernendenwesens bei Implenia. Mit Lehrlingsprojekten werden die Jugendlichen gefördert und angespornt. Lernende arbeiten dabei gemeinsam und weitgehend selbstständig. «Neben dem praktischen Know-how», so Bolliger, «lernen sie dort vor allem auch, Verantwortung zu übernehmen.»

«Man muss den Rhythmus finden», sagt Nikola Jovanovic, einer der Lernenden, während er die dreieckige Kelle schwungvoll in die Mörtelwanne taucht. «Irgendwann kommt das richtige Gefühl.» Wie seine Kollegen ist er von der Arbeit in Winterthur begeistert. «Auf der Baustelle errichten wir Lernenden meistens ausschliesslich Schalungen. Daher sind solche Projekte mit richtigen Mauern wichtig für uns.»

«Nach dieser langen Mauer bekommt jeder den richtigen Handgriff hin», ist Raphael Thurnherr überzeugt. Jeder Stein wiegt gegen 10 Kilo, und jeder setzt pro Tag 200 davon. Doch es ist nicht nur die Kraft, die entscheidet. Es braucht auch den Kopf für diese Arbeit, und Ausdauer. Und so arbeiten die acht Lernenden, die heute auf der Baustelle sind, hoch konzentriert. «Wir sind nicht zum Plausch hier», meint der junge Vorarbeiter. Es gilt, einen Auftrag zu erfüllen.

Wer bei Implenia eine Lehre macht, hat die Wahl zwischen rund einem Dutzend verschiedener Berufe: Es sind vorab Strassenbauer, Maurer und Kaufleute, die ihre Karriere bei Implenia starten. Es gibt aber auch Baupraktiker, Grundbauer, Zimmerleute, Schreiner, Holzbearbeiter, Informatiker, Gebäudetechnikplaner, Logistiker, Baumaschinenmechaniker sowie Strassenbaupraktiker. Und: Eine Lehre beim führenden Schweizer Baudienstleister kann der Startpunkt für eine Fachkarriere im Bau sein, die bis hin zum Polier oder Bauleiter führt.

Implenia ist überzeugt, dass die Ausbildung von jungen Fachkräften nicht bloss zur Verantwortung einer modernen Arbeitgeberin gehört. Gerade in einer Branche, in der Fachkräfte­mangel herrscht, dient sie direkt der Erreichung der Unternehmensziele. «Die Lernenden sichern unsere Zukunft», bringt es Olga Bolliger auf den Punkt.

Deshalb überrascht auch nicht, dass Implenia in den letzten Jahren ihre Anstrengungen intensivierte. Ende 2014 schuf die Gruppe eine zentrale Stelle, um die Ausbildung der schweizweit rund 220 Lernenden zu koordinieren, und besetzte sie mit Olga Bolliger. Sie intensivierte den Erfahrungs­austausch zwischen den rund 40 Berufs­ausbildnern, die sich wie Adrian Geissmann in den Implenia Standorten um die Lernenden kümmern. Auch startete die neue Leiterin des Lernendenwesens eine interne Weiterbildung für Praxisausbildner – also jene Personen, die Auszubildenden auf den Baustellen das Handwerk beibringen.

Der Übergang von der obligatorischen Schulzeit in die Berufsausbildung ist eine Phase, in der Jugendliche vor zahlreichen Herausforderungen stehen. Wer sich für eine Ausbildung bei Implenia entscheidet, wird in dieser heiklen Zeit durch die unternehmens­eigenen Fachleute eng begleitet. Dies beginnt mit einer Einführungswoche im Melchtal.

Auch danach werden die Lernenden intensiv betreut. So ruft Adrian Geissmann seine Lernenden alle zwei Monate zu einer Sitzung zusammen. Dabei halten sie selbst erarbeitete Vorträge zu verschiedenen Themen wie etwa Arbeitssicherheit, Finanzen oder Umwelt. Ausserdem können sie sich untereinander austauschen und anstehende Themen diskutieren. «Ich habe schon einiges erlebt, aber hier bei Implenia finde ich es top. Unser Lehrlingsbetreuer ist immer für uns da», bestätigt Edison Miguez, der bereits ohne Ausbildung vier Jahre auf dem Bau gearbeitet hat und nun das Maurerhandwerk noch richtig erlernt.

Um das soziale Verständnis zu fördern – Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung gehören zum Kernverständnis von Implenia –, nehmen die Lernenden neuerdings im 3. Lehrjahr auch an einem sozialen Projekt teil. Ziel dieser besonderen Arbeitswoche ist es, dass sie besser mitei­nander umgehen lernen und sich für eine gute Sache einsetzen. Dabei sollen sie auch erfahren, dass Freiwilligenarbeit Spass machen und eine Bereicherung darstellen kann. «Die Lehrzeit bei Implenia soll in verschiedenster Hinsicht für alle ein Gewinn sein», fasst Olga Bolliger zusammen.

Dieses Konzept des gegenseitigen Gebens und Nehmens, des Forderns und Förderns kommt gut an. Die meisten Lehrabsolventen möchten denn auch direkt eine Berufskarriere bei Implenia starten. Im Durchschnitt erhalten etwa zwei Drittel eine Anstellung. Und Adrian Geissmann ermisst den Erfolg seines Engagements am Füllstand seines Briefkastens: «Trotz der geburtenschwachen Jahrgänge erhalte ich zahlreiche Bewerbungen», meint er, «sicher auch, weil sich herumgesprochen hat, dass Lernende bei uns eine gute Ausbildung erhalten.»

KUNSTAUSTELLUNG IM WERK 1