Mit Holzbauten zu den Klimazielen
Energie und Klima zählen nicht erst seit sich Jugendliche in der Klimabewegung Gehör verschaffen zu den politischen Prioritäten vieler Schweizer Städte. Insgesamt leben bereits 60 Prozent der Schweizerinnen
und Schweizer in sogenannten Energiestädten. Winterthur beispielsweise ist eine von aktuell 48 Schweizer Kommunen, die für ihren besonders grossen Einsatz für eine effizientere Nutzung von Energie, den Klimaschutz, die Förderung erneuerbarer Energien und eine umweltverträgliche Mobilität mit dem Label Energiestadt Gold ausgezeichnet sind.
Gebäudebereich ist zentral
Die Eulach-Stadt hat aber bereits einen weitergehenden Nachhaltigkeitsweg eingeschlagen. 2012 hat die Bevölkerung in einer Volksabstimmung bis 2050 die noch wesentlich strengeren Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft vorgegeben. Ein zentrales Handlungsfeld auf diesem Weg ist der Bereich Gebäude und Siedlungen. Er ist in Winterthur unter anderem für mehr als 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und genau hier kommt der Naturstoff Holz ins Spiel. Holz lässt sich nämlich nicht nur ausserordentlich energieeffizient produzieren und verarbeiten. Bäume speichern während ihres Wachstums CO2 aus der Luft und sorgen dabei für eine negative Treibhausgas-Bilanz. Pro Tonne Holz werden im Vergleich mit anderen Baumaterialien unter dem Strich etwa 5,6 Tonnen CO2 eingespart.
Grösseres Einsparpotenzial als im Luftverkehr
Wie gross das Potenzial insgesamt ist, zeigen zwei Zahlen: Zum einen sind die Baumaterialien Beton und Stahl weltweit für etwa 8 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich (Flugverkehr für rund 3
Prozent). Zum anderen haben Forscher der ETH Zürich im vergangenen Juli mit einer Studie für Aufsehen gesorgt, wonach durch ein konsequentes Aufforsten aller weltweit möglichen Landflächen zwei Drittel des gesamten durch menschliche Aktivitäten freigesetzten CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden könnten.
Holzbauten vergrössern die Speicherkapazität der Wälder
Zusätzlich verstärkt wird die Wirkung von Aufforstungen, wenn aus den Bäumen Holzbauten erstellt werden. Das CO2 bleibt im Baumaterial nämlich auch während der Lebensdauer der Gebäude gespeichert und neu nachwachsende Bäume können in dieser Zeit weiteres Treibhausgas aufnehmen. Statt nur während den etwa 70 Jahren des Baumwachstums kann ein Wald dadurch grob gerechnet rund 140 Jahre CO2 aufnehmen und die Speicherkapazität wird praktisch verdoppelt.
Bis zu 30 Prozent weniger graue Energie
Wie sich Holz auf die Nachhaltigkeitsbilanz von Bauwerken auswirkt, zeigt sich exemplarisch am Projekt «Krokodil» in Winterthur. Die Blockrandüberbauung mit ihren 254 Genossenschafts-, Miet- und Eigentumswohnungen ist Teil der Lokstadt, die auf dem Gelände der ehemaligen Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) entsteht und das anspruchsvolle Zertifikat als «2000-Watt-Areal» anstrebt. «Grundlegend für die Energiebilanz im Betrieb von Gebäuden ist eine möglichst kompakte Bauweise. Zusätzlich dazu macht Holz vor allem im Bereich des CO2 und der grauen Energie den Unterschied», wie Fritz Huber erklärt, der bei Implenia für die Lokstadt zuständig ist. Holzbauten speichern nämlich nicht nur CO2. In ihnen steckt auch bis zu 30 Prozent weniger sogenannte graue Energie, welche bei Herstellung, Transport, Lagerung und Entsorgung der Baumaterialien aufgewendet werden muss.
Holz wird zum neuen chemischen Grundmaterial
Und diese Bilanz wird sich weiter verbessern. Nach dem Ende ihres Lebenszyklus werden Holzhäuser in Zukunft nicht mehr nur wie heute vor allem als Brennstoff wiederverwertet. Wissenschaftler entwickeln aus dem Naturstoff laufend neue Materialien. Das englische Wissenschaftsmagazin «New Scientist» prophezeit gar ein eigentliches Holzzeitalter. Grosse Holzraffinerien sollen demnach schon bald anstelle von Erdölraffinerien die chemischen Grundstoffe liefern etwa für Kunststoffe und Medikamente oder auch für selbstisolierende Fenster. Dass dies nicht nur ferne Visionen sind, wollen die Japaner schon im nächsten Jahr beweisen. Im Rahmen der Olympischen Spiele in Tokio werden sie ein vollständig aus Holz gebautes Auto präsentieren. Aus dem Haus wird in Zukunft nach dem Rückbau vielleicht ein Motorenblock oder ein Wirkstoff gegen eine schwere Krankheit.
Zeitalter der Holzhochhäuser bricht an
Genauso ist auch im Holzbau mit den heutigen Techniken bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Dies zeigt sich unter anderem auch daran, dass Holzbauten immer höher in den Himmel wachsen. In diesem Jahr wurden in Wien und im norwegischen Brumunddal zwei über 80 Meter hohe Hochhäuser eingeweiht. In Stockholm, Chicago und Tokio sind bereits Wolkenkratzer mit Höhen von 133, 228 und 350 Metern in Planung. Und auch in der Schweiz bricht das Zeitalter der Holzhochhäuser an. In Zug ist im September ein Projekt für einen spektakulären, nach oben immer breiter werdenden 80-Meter-Bau präsentiert worden.