Holz bis zu den Wolken
Vor wenigen Jahren waren sie noch eine Utopie. Inzwischen sind sie schon vielerorts Realität: Hochhäuser, die aus Holz gebaut sind. Den Rekord hält derzeit noch der Mjos Tower im norwegischen Brumunddal mit 85 Metern. Geplant werden aber bereits Bauten, die 300 Meter und höher in den Himmel wachsen sollen. In der Schweiz nimmt die Urban Assets Zug AG auf dem in Zug gelegenen Werkgelände das erste Hochhaus in Angriff, bei dem auch sämtliche Tragstrukturen aus Holz sein werden.
Tausende Tonnen CO2 und Franken gespart
Das Projekt Pi ist aber nicht nur wegen seiner in unserem Land noch nie in Holz erreichten Höhe von 28 Stockwerken und 80 Metern einmalig. Auch in Sachen Bautechnologien beschreiten die Projektpartner Duplex Architekten, WaltGalmarini Bauingenieure und Implenia neue Wege. Sie ermöglichen unterm Strich eine Reduktion des Tragwerkgewichts um 34 Prozent im Vergleich zu Stahlrahmenkonstruktionen. Auch bisher übliche Hybrid-Holzhochhäuser, bei denen ein Betonkern einen grossen Teil der Tragwerkfunktionen übernimmt, sind um 17 Prozent schwerer. Entsprechend weniger Fundationsaufwand muss betrieben werden. Und das hat ganz direkte Auswirkungen auf die graue Energie, die beim Bau anfällt. Umgerechnet 1700 Tonnen CO2 spart das Projekt Pi so direkt ein. Dazu addieren sich 3333 Tonnen CO2, die im Holz als Baumaterial gespeichert bleiben.
Mit zwei Holzrahmen und minimalem Fundament
Erreicht werden diese markanten Verbesserungen durch ein Tragwerk, das aus einem inneren und aus einem äusseren Holzrahmen sowie aus speziellen Holz-Beton-Verbunddecken besteht. Der äussere der zwei Tragrahmen des sogenannten Tube-in-Tube-Systems bildet dabei das Gerüst für Fenster und Fassadenelemente und setzt direkt auf der Schlitzwand auf, welche die Baugrube abschliesst. Ein spezielles Fundament muss damit nur noch für die Masse erstellt werden, die der innere Holzrahmen trägt. «In einem herkömmlichen Stahlbetonhochhaus von dieser Grösse werden rund 30 Prozent der gesamten Bewehrung im Fundament verbaut und das kostet entsprechend viel», sagt Tobias Hohermuth. Der Leiter Holzbau von Implenia betont, dass sich im Hochhausprojekt die Vorteile des Holzbaus praktisch Stockwerk für Stockwerk aufaddieren.
Vorteile von Holz- und Betondecken verbunden
Erhebliche zusätzliche Gewichtseinsparungen werden vor allem durch das neuartige Deckensystem erzielt, welches die Bauingenieure von WaltGalmarini mit dem Holzbau von Implenia und der ETH im Rahmen eines Innosuisse-Projekts entwickelt haben (siehe begleitendes Interview mit Wolfram Kübler). Es verbindet die Vorteile einer Betonflachdecke – wie die zweiachsige Tragfähigkeit, Robustheit und Flexibilität bei der Verlegung der Gebäudetechnik – mit den Gewichts- und optischen Qualitäten von Holz. Die Verbundkonstruktion ist nicht nur ausgesprochen leicht. Sie ist auch dünner als alle bisherigen Konstrukte. Dadurch konnte ein zusätzliches Stockwerk in der von der Stadt Zug vorgegebenen Maximalhöhe von 80 Metern untergebracht werden. Auch das bedeutet für den Bauherrn bares Geld.
Zweistöckiges Mockup für realitätsnahe Tests
Mit dem Holzhochhaus betreten Implenia und die Projektpartner Neuland. Entsprechend intensiv werden darum die eingesetzten Technologien in Experimenten geprüft. Das Deckensystem wurde bereits im Rahmen des Innosuisse-Projekts, in dem es unabhängig vom Projekt Pi gemeinsam mit der ETH entwickelt wurde, ausgiebig auf seine Stabilität sowie auf das Schwingungs- und Schallverhalten getestet. Um die konkrete Anwendung im Projekt Pi gänzlich unter Kontrolle zu haben, wird jetzt zusätzlich ein Mockup einer Gebäudeecke über zwei Stockwerke erstellt. Die Messungen am 1:1-Modell sollen nicht nur der Bauherrin Sicherheit geben, sondern auch gewährleisten, dass die komplexe Logistik nicht durch unvorhergesehene Komplikationen ausgebremst wird.
Anspruchsvolle Logistik als besonderer Ansporn
Das Management der Erstellung von Pi wird eine besondere Herausforderung und Hohermuth freut sich darauf: «Das ist der Grund, wieso die Arbeit bei Implenia Holzbau besonders spannend ist. Wir setzen äusserst anspruchsvolle Projekte um, welche die technologische Spitze in der Gebäudeerstellung darstellen.» So müssen beispielsweise für die Fertigung der Deckenelemente neue Produktionsanlagen erstellt werden, in denen sich die Module direkt betonieren lassen. Vorproduktion und Montage müssen zudem genau getaktet werden. Hier kommt den Holzbauern das grosse Digitalisierungs- und BIM-Know-how von Implenia zugute. Um zusätzlich auch den Transportaufwand zu senken, klärt Hohermuth derzeit ab, ob es sich lohnen würde, in der Nähe von Zug eine temporäre Fabrik zu errichten. So oder so: Das Projekt Pi wird Schweizer Baugeschichte schreiben und auch weltweit dem Holzhochhausbau neue Impulse verleihen.
Bildnachweis: Hochhaus Pi, Stand Wettbewerb, Architektur: Duplex Architekten, Zürich / Visualisierung: Filippo Bolognese